Kleidung entwerfen und Kleidung ändern
Je besser Kleidung sitzt, desto besser fühlt man sich darin. Nicht wenige beginnen mit dem Nähen, um endlich gut passende Kleidungsstücke fertigen zu können. Doch oft passen Schnitte nicht auf Anhieb und sollten für die persönliche perfekte Passform leicht angepasst werden. Oder soll gar ein ganz eigener Schnitt konstruiert werden? Hier kommen meine 6 liebsten Bücher zu den Themen Schnittkonstruktion und Schnittanpassung.
Kennst du schon meine Schnittmuster?
Die üblichen Schnittmuster die es gibt, genauso wie fertige Kleidung die man kaufen kann, sind nach bestimmten Maßtabellen ausgerichtet. Diese sind idealisiert, wohlproportioniert, und kein wirklicher Mensch entspricht so einer Norm-Figur. Also passt ein Kleidungsstück oft nicht, egal ob gekauft oder selbst genäht. Enganliegende Stücke aus dehnbaren Stoffen verzeihen da noch sehr viel, aber wenn es dann auch an Stücke aus anderen Stoffen geht, oder die Passform einfach gut sein soll, dann kommt man als Hobbynäher schnell an seine Grenzen.
Wie erkennt man überhaupt ein Passformproblem? Was sagt die Falte da drüben über den Sitz des Kleidungsstücks? Und was muss geändert werden damit der “Fehler” behoben wird? Oder wie ändert man generell etwas, z.B. die Länge eines Rocks? Oder wie macht man eine Hose enger? Schwirrt vielleicht eine Idee im Kopf herum, die man furchtbar gern nähen würde? Wo setzt man an, wie konstruiert man einen Schnitt? Das Zusammenbasteln von verschiedenen Schnittmustern bringt oft nicht den gewünschten Erfolg. Wie macht man das denn nun? Wie entwickelt man einen Schnitt, der dann auch passt?
Die Bücher die ich hier vorstelle, gehen über das bloße Nachnähen von fertigen Schnittmustern hinaus. Sie sind geeignet für fortgeschrittene Näher und ambitionierte Anfänger, die gut sitzende Kleidungsstücke fertigen wollen, ihre eigene Garderobe passend ändern möchten oder auch mal kleine Ausbesserungsarbeiten ausführen möchten, Stichwort Upcycling.
1. Der große Fotoguide für die Perfekte Passform
Mit diesem Buch kann das erste Probemodell eines Schnitts an die eigene Figur angepasst werden. Was sagt dieser oder jener Faltenwurf aus? Wie löst man das Problem? Wie überträgt man die Änderung dann auf den Schnitt? All diese Fragen behandelt das Buch beispielhaft anhand von über 650 Farbfotos von einigen Kleidungsstücken aus Nessel Schritt für Schritt.
“Der große Fotoguide für die Perfekte Passform” von Sarah Veblen erschien im Mai 2015 im Stiebner Verlag. Anhand von über 650 Farbfotos von Menschen in Nesselmodellen wird verdeutlicht, was Passformprobleme sind und wie man sie Schritt für Schritt beheben kann. Das Buch richtet sich an etwas fortgeschrittene Näher die Kleidung mit gutem Sitz fertigen möchten.
Preis: 29,90 €
Durch das Lesen des Buches versteht man erst mal, was Passformprobleme überhaupt sind, und wie ein Kleidungsstück fallen sollte, wenn es gut sitzt. Anhand von 650 Fotos von Frauen verschiedenster Figuren, die je ein Nesselmodell tragen werden die Passformprobleme analysieren und Änderungen vorgenommen, die zu einem besseren Sitz führen. Das Buch führt einen durch den Prozess, wie man beim Ändern von Bekleidung vorgeht und Änderungslösungen entwickelt, bis schließlich am Ende auch noch die zugehörigen Änderungen an angrenzenden Schnittteilen vorgenommen werden, so dass alle gut zusammen passen.
An Nesselmodellen wird gezeigt, welche Falten auf welches Problem hindeuten. Schon das ist total interessant! Da kann man seine eigene Garderobe mal durchgehen, oder andere Leute beobachten und überall üben, die Passform zu analysieren. Viele Passformprobleme werden im Buch behandelt, flacher Po, starker Po, abfallende Taillenline, eine starke Brust, all dies beeinflusst natürlich die Passform eines Kleidungsstücks enorm. Besonders bei Oberteilen finde ich es spannend, meine Garderobe mal zu überprüfen und auszuprobieren, inwieweit sich die Erkenntnisse von einem Modell aus Nessel auf das fertige Kleidungsstück z.B. aus Jersey übertragen lassen.
Das Buch hat übrigens eine sehr praktische Ringbindung. Man kann es einfach aufgeschlagen neben sich legen und immer wieder hinein sehen, es schlägt nicht zu! Das hilft dabei, wenn man im Spiegel z.B. die Passform eines Kleidungsstücks analysiert. Eines sollte aber jedem bewusst sein, unabhängig von dem Buch: ganz allein kann man nicht gleichzeitig Modell stehen und Änderungen vornehmen!
2. Einfach Kleidung ändern
Dieses Buch ist anders als alle anderen, denn hier werden auch die Männer betrachtet! Beziehungsweise deren Kleidungsstücke. Schließlich kann man ja auch Herrenkleidung ändern oder aufwerten. Aber auch die Damenwelt kommt definitiv nicht zu kurz, ob (Vintage) Alltagskleidung oder Kostüme (Theater, Historisch oder Cosplay). Im Buch wird Schritt für Schritt erklärt, wie man Länge oder Weite anpassen kann, ein Schnitt geändert wird, wie man Löcher repariert, einen Reißverschluss ersetzt, einen Kragen an einem Hemd austauscht und vieles mehr.
Die erfahrene Kostümmacherin J. François-Campbell erklärt in ihrem im September 2018 im Haupt Verlag erschienenen Buch “Einfach Kleidung ändern” wie man Säume, Bünde, Nähte, Ärmel, Taschen, Manschetten, Falten, Verschlüsse, Ausschnitte und Futter ändert und ausbessert. Sowohl für Damen- als auch für Herrenkleidung. Das Buch richtet sich an etwas fortgeschrittene Näher die ihrer (Vintage) Kleidung eine gute Passform geben möchten, oder hochwertige Kleidung, Theaterkostüme, historische Kostüme oder Cosplay-Kostüme ändern möchten.
Preis: 29,90 €
Das Buch beginnt mit einer kurzen interessanten Einführung in die Modegeschichte, wie es zur heutigen Kleidung kam und wie sich die Sache weg von den Maßschneidereien hin zur Fast Fashion mit ihren Passformproblemen entwickelt hat. Im Grundlagen Kapitel 1 werden Vorüberlegungen angeführt, über Ausstattung und das Maßnehmen gesprochen. Auch werden Stoffe und deren Eigenschaften und Verarbeitung in großen Tabellen aufgeführt. Dabei habe ich vergeblich nach “Jersey” gesucht und dachte schon, das Buch handelt nur von nicht-dehnbaren Stoffen. Doch dann habe ich den elastischen Stoff unter dem Namen “Lycra” gefunden, im Buch übrigens als “schwer zu verarbeiten” beschrieben. Überrascht hat mich der Eintrag zu “Jacquard”, der als Stoffart aufgeführt ist, obwohl Jacquard nur eine Musterart beschreibt und Jacquard als Strick, Damast, Brokat oder z.B. Jersey auftreten kann! Die Grundlagen umfassen ausserdem kurz die üblichen Saumarten (auch per Hand), Nahtarten und Verschlüsse.
Die folgenden Kapitel sind je einem Kleidungsstück und den häufigsten Änderungen an diesem gewidmet: Röcke, Kleider, Hosen (Herren und Damen), Sakkos, Hemden/Blusen, Mäntel/Capes Krawatten/Fliegen/Westen. Für jede wichtige Änderung wird im Buch eine Methode in bebilderten Schritt-für-Schritt-Anleitungen vorgestellt. Weiten, enger machen, kürzen, verlängern, ausbessern. Mit den sehr praktisch gehaltenen Anleitungen lernt man professionell, Kleidung von der Stange an verschiedenen Stellen so umzuarbeiten, dass sie perfekt Sitzt und wie man abgetragene Kleidung fachgerecht repariert und ausbessert. Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf der praktischen Durchführung der Änderungen.
Das Buch kommt unaufgeregt und irgendwie “klassisch” daher. Beim aufschlagen und lesen hatte ich eine gediegene Schneiderei vorm inneren Auge, in denen Herren mit Hüten ihre Maßanzüge anfertigen lassen und feine Damen ein neues Kleid für den Nachmittagstee in Auftrag geben. Die Änderungsmethoden sind aber durchaus aktuell und gut nach zu machen.
3. Ändern und Aufwerten von Kleidungsstücken
Die häufigsten Arbeiten der Änderungsschneiderei werden in diesem Buch erklärt: woher rührt das Problem, wie müsste die Lösung aussehen. Von klassische Reparaturen und Ausbesserungen, die auch ein Anfänger durchführen kann bis hin zu aufwändigen Änderungen die die Silhouette des Kleidungsstücks verändern und für die Kenntnisse in Schnittkonstruktion und Schneiderei von Vorteil sind. Hier gibt es gute Anregungen und Tipps, Änderungen selbst durchzuführen.
Im Stiebner Verlag erschienen ist im Juni 2012 das Buch “Schnittkonstruktion in der Mode: Die Extras – Ändern und Aufwerten von Kleidungsstücken” von Teresa Gilewska. Das Buch behandelt die gängigsten einfachen oder schwierigen Reparaturen und Änderungen die in Änderungsschneidereien am Häufigsten durchgeführt werden. Die erfahrene Schneiderin bietet in ihrem Buch sowohl Profis, Auszubildenden und Studierenden an Modefachschulen, als auch Hobbyschneidern jeden Niveaus Tipps und erprobte Lösungsvorschläge.
Preis: 29,90 €
“Schnittkonstruktion in der Mode: Die Extras – Ändern & Aufwerten von Kleidungsstücken” bei Amazon
“Schnittkonstruktion in der Mode: Die Extras – Ändern & Aufwerten von Kleidungsstücken” bei Thalia |
Für einige Änderungen braucht man mehr als gute Grundkenntnisse in Schnittkonstruktion und Nähen, für andere braucht man vielleicht nur etwas Geduld und eine gute Anleitung weil sie gar nicht so schwer sind wie sie scheinen. So sind wohl das Austauschen eines Reißverschlusses oder das Flicken eines Taschenbeutels einfache Ausbesserungsarbeiten, während andere beschriebene Änderungen wie z.B. das Weiten eines Kleidungsstücks durchaus komplizierter sein können. Deshalb beginnt das Buch auch mit einigen allgemeinen Vorüberlegungen wie z.B. Schwierigkeiten abschätzen, Eigenschaften des Stoffes bestimmen, Abmessen, Säubern oder sorgfältige Planung. Es folgen Erläuterungen zu Textiletiketten, Symbole zu Stoffeigenschaften und Textilpflegesymbole und Details zu den Stoffarten Spitze und Maschenware und wie man kleine Ausbesserungen am Stoff (z.B. Riss oder gefallene Masche) durchführt.
Im folgenden Kapitel werden gängige Ausbesserungsarbeiten behandelt, die man auch als Anfänger gut bewältigen kann. Es sind kleine Reparaturen die keine Auswirkungen auf das eigentliche Aussehen des Kleidungsstücks haben, wie z.B. einen gelösten Saum befestigen, einen Reißverschluss reparieren oder an verschiedenen Stellen auswechseln (insbesondere bei einer Jeans), verschiedene Knöpfe annähen, ausgeleierte Taschen oder eingerissene Hoodie Taschen ausbessern. Im letzten Kapitel zu Änderungsarbeiten werden aufwendigere Änderungen beschrieben, bei denen die Grundform des Kleidungsstücks abgewandelt oder ganz verändert wird. Für diese Arbeiten sollte man sich etwas besser auskennen und gründlich planen. Es werden Änderungsarbeiten vorgestellt wie z.B. Länge und Weite abändern, und wie man einige Mängel behebt wie z.B. Figur- und haltungsbedingte Passformprobleme bei einem vorne hoch rutschenden Rock. Es wird erklärt wie man verschiedene Abschlüsse an Hosenbeinen näht, Rock Silhouetten ändert, Abnäher ändert (das können auch Anfänger!), Kürzen von Jacken und Blusen, Auswechseln von Kragen, Futter auswechseln oder ändern, Schulterpolster ändern, Ärmel ändern. Als letztes werden einige sehr schwierige oder unmögliche Änderungen aufgeführt, wie z.B. ein an der Oberbrustlinie spannendes Kleidungsstück zu ändern, oder nach aussen drehende Bügelfalten an einer Hose ändern.
In diesem Buch habe ich eine Änderung entdeckt, die ich sehr interessant finde. Bei schlecht sitzenden Hosen entstehen manchmal vorne an der Schrittnaht Spannungsfältchen, sieht dann auch wie “Schnurrhaare” einer Katze. Dass kenne ich von gekauften (Anzug-)Hosen! Ursache ist eine falsche Rundung der Schrittnaht und ich finde es sehr schön, dass man diesen Konstruktionsfehler an vielen Hosenmodellen wohl recht einfach korrigieren kann. Es gibt allerdings keine schön einfache Schritt-für-Schritt-Anleitung, sondern eine Erklärung des Problems, eine Zeichnung und den Tipp dass man die Änderung am besten im Sitzen an der getragenen Hose vornimmt. Das finde ich ein bisschen Knapp, andere Änderungen sind etwas ausführlicher beschrieben. Generell sind die Änderungen interessant zu lesen, man lernt eine Menge über Passform und Schnittkonstruktion, auch darüber wie einzelne Dinge eben genäht werden (z.B. ein Schlitz an einem Rock!) und man findet gute Ansätze um Änderungen durchzuführen. Aber es sind in dem Teil über die schwierigeren Änderungen eben keine einfach mal eben nach zu machenden Schritt-für-Schritt Anleitungen, der Schwerpunkt des Buchs liegt ein bisschen auf der Theorie, auf dem Verstehen des Problems und der Lösung, nicht unbedingt in der Durchführung der Änderung.
4. Eigene Schnittmuster herstellen für Röcke und Kleider
Eigene Schnitte für sich erstellen, das wärs doch. Wie oft muss man bei gekauften Schnitten doch anpassen, rum wurschteln, ausprobieren. Warum nicht mal selbst machen? Dieses Buch hält dafür einige Grundschnitte bereit, die man erst mal an die eigene Figur anpasst. Dann kann man aus diesen gut sitzenden Grundschnitten nach den Anleitungen im Buch seine eigenen Schnitte entwickeln. Das Beste: Diese Schnitte werden mit Sicherheit passen!
Alice Prier und Lilia Prier Tisdall sind die beiden britischen Autorinnen des Buchs “Eigene Schnittmuster herstellen für Röcke und Kleider”, welches im März 2018 im Stiebner Verlag erschien. Aus 12 Grundschnitten zum herunterladen werden nach Anleitungen im Buch verschiedene Kleidungsschnitte entwickelt. Dazu muss der Grundschnitt natürlich erst auf die eigene Figur angepasst werden. Durch Kombination und Variation lassen sich so über 40 individuelle Kleidungsschnitte entwerfen. Das Buch enthält keine Nähanleitung. Das Buch richtet sich an alle, die ganz praxisnah eigene Schnittmuster für Damenbekleidung entwerfen, kopieren oder anpassen wollen.
Preis: 19,90 €
“Eigene Schnittmuster herstellen für Röcke und Kleider” bei Amazon
“Eigene Schnittmuster herstellen für Röcke und Kleider” bei Thalia |
Das Buch wirft einen nicht gleich ins kalte Wasser. Zunächst werden auf den ersten Seiten ein paar Grundlagen geklärt, wie z.B. welches Werkzeug man braucht, wie man Stoffe auswählt und so weiter. Zum Buch gehören einige Grundschnitte, die man sich herunterladen kann: Kleid mit Abnähern und eingesetzten Ärmeln, Kleid mit Abnähern und eigesetzten Ärmeln für größere Oberweite, Stretchkleid ohne Abnäher mit eingesetzten Ärmeln, Ärmelgrundschnitte, Dolman-Ärmel (Ärmel und VT bzw RT sind ein Schnittteil), Raglanärmel, Hemdkragen, Bubikragen, Volantkragen, Stehkragen, Nahttasche, Aufgesetzte Tasche 1, Aufgesetzte Tasche 2.
Hier wählt man sich den Grundschnitt aus, den man für das Modell im Buch braucht und passt den Grundschnitt erst mal auf seine Figur an indem man ein Nesselmodell heftet und dieses anpasst. Der richtige Sitz des Grundschnitts ist sehr wichtig, denn alle Schnitte im Buch basieren auf einem der Grundschnitte (oder einer Kombination) aus dem der Schnitt selbst entsprechend der eigenen Maße und Vorstellungen entwickelt wird. Dabei hilft das letzte Kapitel mit einigen technischen Zeichnungen, in dem es um Passformkontrolle und typische Anpassungen geht.
Ein Kapitel beschäftigt sich mit 13 unterschiedlichen Röcken: Bleistiftrock, Glockenrock, halber oder ganzer Tellerrock, Stufenrock und viele mehr. Zu jedem Schnitt wird erklärt, wie der entsprechende Grundschnitt abgeändert werden muss. Technische Zeichnungen helfen dabei und Tipps zur perfekten Passform gibt es auch. Im nächsten Kapitel folgen dann Feinheiten und Varianten für die Röcke, so dass man sich den Schnitt noch weiter aufhübschen kann, z.B. Volanteinsätze, eine Rüsche vorn, Wickeloptik, Taschen.
Im nächsten Kapitel gehts um Kleider, insgesamt 19 Stück! Etuikleid, ausgestelltes Kleid, Hemdblusenkleid, Pulloverkleid, Wickelkleid, trägerloses Kleid, Negligé, Neckholder-Kleid, Unterkleid, ein festliches Empirekleid oder eine Abendrobe. Interessant finde ich das Maxikleid, es ist die Rede von einem Wasserfalleinsatz am Rücken und schwungvollen Godets, nur leider sieht man die nicht weil das Kleid nur von vorne abgebildet ist. Im folgenden Kapitel gehts um Details und Anpassungen für die Kleider: 6 unterschiedliche Ausschnittformen, Stehkragen oder Rollkragen, Hemdkragen oder Muschelkragen, V-Ausschnitt mit Volant oder schulterfrei, Bubi und Matrosenkragen, Fledermausärmel, geraffte Ärmel, Volantärmel, Ärmel mit Manschetten, Kimonoärmel, Glockenärmel, geschlitzter Ärmel, Keulenärmel oder Puffärmel.
Mit all diesen Kombinationsmöglichkeiten kann man seinen eigenen Kleiderschnitt oder Rockschnitt konstruieren. Wenn man bei einigen Kleider den unteren Teil weg lässt, natürlich auch Oberteile! Mir gefällt es sehr gut, dass man hier den Grundschnitt nicht von der Pike auf selbst konstruieren muss, sondern ein bisschen an die Hand genommen wird. Schnell gemacht ist ein eigener Schnitt natürlich trotzdem nicht, aber seinen eigenen gut sitzenden Schnitt zu entwickeln, ist ein tolles Projekt. Geeignet natürlich nicht für Nähanfänger, wobei, ums nähen gehts ja erst mal gar nicht. Es geht ums konstruieren, ums bauen, ums entwerfen. Warum sollte das nicht auch ein Nähanfänger können oder wollen? Natürlich hilft es, wenn man schon ein paar Vorstellungen hat, wie sich bestimmte Anpassungen verhalten oder wenn man schon den ein oder anderen Abnäher genäht hat und die Theorie dahinter kennt. Also vielleicht doch eher für den ambitionierten etwas fortgeschrittenen Näher, der seine Garderobe noch individueller gestalten möchte.
Es zuckt bei mir schon in den Fingern, es fällt mir schwer, es zuzuschlagen und weg zu legen. Am liebsten würde ich gleich meinen Mann als Mess-Assistenten anstellen und mich in die Schnittkonstruktion werfen.
5. Grundschnitte und Modellentwicklung: Schnittkonstruktion für Damenmode – Band 1
Alle mal einen Schritt zurück treten, jetzt kommen die schweren Geschütze. Tja nun. Dieses gelbe Buch ist glaube ich die Bibel aller, die sich ernsthaft an Schnittkonstruktion wagen möchten. Die selbst ihren eigenen Grundschnitt erstellen möchten, aus dem Nichts aufs Papier. Keine Ausreden, nur Zahlen, Maße, Lineale und Theorie. Voll meins, das.
Das Lehrbuch “Grundschnitte und Modellentwicklung: Schnittkonstruktion für Damenmode – Band 1” von Guido Hofenbitzer erschien in neuester Auflage von Oktober 2018 im Verlag Europa-Lehrmittel und richtet sich an Auszubildende und Praktiker in den Bekleidungsberufen, an Fortgeschrittene und an interessierte Hobbynäher. Mit diesem Buch eignet man sich das nötige Wissen an, um selbstständig maßgenaue Bekleidungsschnitte nach eigenen Vorstellungen konstruieren zu können. Es enthält keine Nähanleitungen oder fertige Grundschnitte.
Preis: 55,90 €
“Grundschnitte und Modellentwicklung: Schnittkonstruktion für Damenmode Band 1” bei Amazon
“Grundschnitte und Modellentwicklung: Schnittkonstruktion für Damenmode Band 1” bei Thalia |
Das Buch beginnt mit einer Einführung in die Schnitt-Technik. Was ist überhaupt ein Schnitt, was ist die Standard-Idealfigur, welche Maße gibt es und wie werden sie abgekürzt. Dann geht es an die Maß- und Formeltabelle, anhand derer man z.B. für sich selbst einen ausführlichen Maßsatz anfertigen kann, es wird erläutert, was es mit Konfektionsgrößen und Größentabellen auf sich hat. Übrigens kommt das ganze Buch komplett ohne Fotos aus. Alles wird anhand von Grafiken erklärt.
Dann fängt der Spaß erst richtig an. Es gibt ein Kapitel über Röcke, eins über Hosen und zwei über Oberteile (eins für verschiedene Grundschnitte, eins für Details und Modelle). In den Kapitel über Röcke und Hosen gibt es zuerst einen Überblick über verschiedene Rock- bzw. Hosenformen (Zeichnungen). Dann geht es immer erst mal darum, einen Grundschnitt zu erstellen. Viele Abbildungen helfen beim Verstehen und bei der Konstruktion. Dann wird ein Schnitt entwickelt (im Verlauf des Kapitel wird es immer schwieriger) und schließlich zum fertigen Produktionsschnitt gemacht, der bereit ist für den Zuschnitt.
Ich finde es total interessant wie auf bestimmte Besonderheiten an der Figur bei der Schnittkonstruktion eingegangen wird. Das sind nämlich genau die Dinge, die ein gekaufter Schnitt der “allen” passen muss, nie berücksichtigen kann. Zum Beispiel kann der Hüftumfang vom Maß her immer gleich sein, aber ob man ein “normales” Gesäß, eine breite Hüfte und flachen Po oder eine schmale Hüfte und einen richtigen herausragenden Booty hat, das sagt einem das Maß allein nicht! Aber auf die Passform und den Schnitt hat es erhebliche Auswirkungen.
In den Kapitel über die Oberteile geht es zunächst auch um die Entwicklung von Grundschnitten. Allerdings hat man bei Oberteilen mehr Variationsmöglichkeiten, deshalb ist dem Thema ein eigenes ausführliches Kapitel gewidmet. Shirt, Kleid, mit Abnähern, Bluse, Korsage, verschiedene Ärmel, Jacken,… Im zweiten Kapitel über Oberteile gehts dann um Details und Modelle, hier werden schließlich die Schnitte entwickelt.
Am Ende des Buchs findet man Fachbegriffe und Abkürzungen zum Nachschlagen, eine Passformklassen Tabelle, eine Zugabentabelle, eine Größentabelle der deutschen Damen-Konfektionsgrößen und einige Maßsatz Tabellen zum selbst ausfüllen mit den eigenen Maßen.
Das Buch ist wirklich ein absoluter Rundumschlag. Damit kann man jeden erdenkliche Kleidungsschnitt konstruieren! Es ist absolut allumfassend. Und in der neuen Ausgabe von 2018 sind wohl nochmal 144 Seiten hinzu gekommen, noch mehr Modelle, noch mehr wird auf figürliche “Probleme” eingegangen, Grundschnitte und Modelle für Sportswear, Wäsche und Unisex-Bekleidung, Größentabellen für starke Figuren und vieles mehr.
Ich habe die letze Ausgabe von 2009 Zuhause und damit diesen Rock konstruiert. Das war ein längeres Projekt, logisch, das macht man nicht mal eben zwischendurch. Dumm war nur, dass ich zwischen Konstruktion des Schnitts und tatsächlichem Vollenden des Rocks mehrere Monate gebraucht habe – und in ausgerechnet diesen Monaten abgestillt und 2 Kleidergrößen bzw. etwa 9 kg verloren habe. Da passt dann auch ein maßgeschneiderter Rock nicht, wenn die Maße nicht stimmen.
Aber den Rock zu “bauen”, das hat echt Spaß gemacht. Bisschen Mathe, viel Theorie, eine gute Prise Vorstellungsvermögen und ein Glas Wein für die Frustrationstoleranz. ;) Da das Buch keine Nähanleitungen enthält, muss man beim anschließenden zusammentackern natürlich wissen was man tut, oder sich eben ein entsprechendes Buch besorgen.
6. Maßschnitte und Passform: Schnittkonstruktion für Damenmode – Band 2
Jetzt gehts um die Passform von Maßschnitten. Dieses Buch ergänzt den ersten Band um “figürliche Besonderheiten”. Was passiert nämlich, wenn man nach den gemessenen Maßen und völlig korrekt einen Maßschnitt konstruiert? Er passt meistens trotzdem nicht, denn die meisten von uns haben eben keine Norm-Figur. Es ist nicht alles wohl proportioniert. Es gibt hängende Schultern, flache breite oder herausstehende schmale Popos mit dem gleichen Hüftmaß, Hohlkreuz, gekippte Becken und vieles mehr, dass es anzupassen gilt. Also den Schnitt passt man an, nicht den Mensch, den wir sind alle toll.
Das Lehrbuch “Maßschnitte und Passform: Schnittkonstruktion für Damenmode – Band 2” von Guido Hofenbitzer erschien im Oktober 2016 im Verlag Europa-Lehrmittel und richtet sich an Auszubildende und Praktiker in den Bekleidungsberufen, an Fortgeschrittene und an interessierte Hobbynäher. Mit diesem Buch eignet man sich das nötige Wissen an, um selbstständig die im Band 1 erklärten Grundschnitte an figürliche Besonderheiten anzupassen. Es enthält keine Nähanleitungen oder fertige Grundschnitte.
Preis: 37,20 €
“Maßschnitte und Passform: Schnittkonstruktion für Damenmode – Band 2” bei Amazon
“Maßschnitte und Passform: Schnittkonstruktion für Damenmode – Band 2” bei Thalia |
Das Buch beginnt mit Überlegungen zur Passform und beschreibt dann eine Vielzahl von Figur- und Haltungsabweichungen. Kurzer oder langer Oberkörper, hängende Schultern, großer oder flacher Busen, verschiedene Hüftformen, verschiedene Formen des Bereichs zwischen Taille und Hüfte, starke Waden, vorgewölbte Oberschenkel, X oder O Beine, altersbedingte Veränderungen, was es da alles gibt! Es hilft also nicht, einfach nur korrekt Maß zu nehmen und dann den Schnitt zu konstruieren. Man muss auch die Figur Analysieren. Es wird erklärt, auf was man beim Maßnehmen achten muss. Hat man dann alle Maße, “korrigiert” man die “Problemfigur” auf dem Papier, erstellt den Grundschnitt, und passt diesen dann quasi rückwärts wieder an die “Figurprobleme” an.
All diese Schritte sind im Buch gut erklärt, anhand von Grafiken und sogar Fotos. Am Beispiel des Rocks ist gezeigt, wie man alternativ anhand von Abformen am Modell (also abstecken und anpassen) den Grundschnitt entwickeln kann. Ein ganzes extra Kapitel gibt es noch für unterschiedliche starke Figuren, also eine mit viel Bauch und eine mit viel Po. Es folgt ein Kapitel darüber, wie man selbst eine individuelle Schneiderpuppe anfertigen kann mit vielen Bildern und Schritt für Schritt Anleitung. Ein Lehrfilm zum Anfertigen der Schneiderbüste kann über einen QR Code angesehen werden.
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